Viele Frauen in Deutschland haben zu Beginn der Schwangerschaft einen Mangel an Schilddrüsenhormonen, weil sie zu wenig Jod mit der Nahrung aufnehmen. Das kann IQ-Punkte beim Baby kosten, warnt der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner (BDN).
Er rät allen Frauen, schon bei der Planung der Schwangerschaft auf eine ausreichende Jodzufuhr zu achten und im Zweifelsfall die Schilddrüsenfunktion beim Arzt untersuchen zu lassen. Dies fördere nicht nur frühzeitig die Intelligenzentwicklung des Kindes, sondern auch das Eintreten einer Schwangerschaft.
Die Schilddrüse benötigt für die Hormonproduktion Jod. Die Vorräte des Spurenelements sind begrenzt und müssen regelmäßig über die Nahrung aufgestockt werden. Frauen nehmen in Deutschland im Durchschnitt nur etwa 125 Mikrogramm Jod pro Tag auf. Während der Schwangerschaft benötigen sie jedoch etwa 250 Mikrogramm pro Tag, also ungefähr die doppelte Menge. Der Bedarf steigt, weil die Mutter in den ersten Wochen die Hormone für das Kind mitproduzieren muss. Später ist auch die Schilddrüse des Kindes auf die Jodzufuhr durch die Mutter angewiesen.
„Jede Schwangerschaft ist ein Stresstest für die Schilddrüse“, sagt BDN-Experte Professor Dr. med. Matthias Schmidt vom Universitätsklinikum Köln. Der Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin befürchtet, dass einige Schwangere diesen Test nicht bestehen – Nuklearmediziner sind Spezialisten für die Schilddrüse und machen häufig entsprechende Bluttests bei Schwangeren. Allein durch die Ernährung ist der Bedarf an Jod oftmals nicht zu decken. Schwangeren wird deshalb generell zur Einnahme von Jodtabletten geraten. „Mit einer Tablette täglich mit 150 Mikrogramm Jod ist man gut versorgt“, sagt Schmidt. Doch die Erfahrungen zeigen, dass viele Schwangere die Jodprophylaxe nicht konsequent betreiben. Für die Kinder kann dies lebenslange Folgen haben.
Denn zu den Aufgaben der Schilddrüsenhormone gehört die Entwicklung des Gehirns. „Ein extremer Jodmangel hatte früher in ausgeprägten Mangelgebieten die Geburt von geistig behinderten Kindern zur Folge“, erläutert der Experte. Diesen Kretinismus gebe es heute praktisch nicht mehr. Die Kinder von Schwangeren mit Jodmangel sind bei der Geburt und in den ersten Jahren heute in der Regel unauffällig.
Eine britische Studie hat jedoch gezeigt, dass Kinder mit schlechter Jodversorgung in der Schwangerschaft im Grundschulalter häufiger Lernstörungen haben. „Lesegenauigkeit und Leseverständnis waren vermindert, wenn die Mütter während der Schwangerschaft nicht genügend mit Jod versorgt waren“, erläutert Schmidt. „Im verbalen Intelligenzquotienten lagen sie häufig mehrere Punkte zurück – eine signifikante Leistungsdifferenz.“ Die Leseschwäche kann in der Schule zu schlechteren Noten führen und später die Chancen am Arbeitsmarkt verschlechtern“, befürchtet der Experte.
Der BDN rät deshalb allen Frauen im gebärfähigen Alter dringend zur Vorsorge. Schon bei der Planung einer Schwangerschaft sollte an eine ausreichende Jodversorgung gedacht werden, um eine ausreichende Produktion von Schilddrüsenhormonen sicherzustellen. Dies erhöht die Chancen, dass es überhaupt zu einer erfolgreichen Schwangerschaft kommt. „Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen ist ein Grund für das Ausbleiben einer Schwangerschaft“, sagt Schmidt. „Ein solcher Mangel geht darüber hinaus mit einer erhöhten Rate an Fehlgeburten einher.“
Eine Unterversorgung mit Jod verursacht zunächst keine Beschwerden. Erst bei einem ausgeprägten Hormonmangel kommt es vermehrt zu Müdigkeit, Appetitlosigkeit oder einer Gewichtszunahme. Der BDN rät deshalb Frauen im Zweifelsfall zu einem Bluttest beim Hausarzt, Gynäkologen oder Endokrinologen. Bestimmt wird das Steuerhormon TSH im Blut. „Sein Anstieg zeigt, dass der Körper einen Mangel erkannt hat“, erläutert Schmidt. Die rechtzeitige und konsequente Zufuhr von Jod oder auch Levothyroxin kann das Problem dann in der Regel schnell beseitigen. „Ein Mangel an Jod oder Schilddrüsenhormonen ist heutzutage so unnötig und überflüssig wie ein Kropf und keinem Kind sollten IQ-Punkte vorenthalten werden“, betont BDN-Experte Matthias Schmidt.
Autor: Redaktion / BDN