Beim Flipperbauer “Gottlieb” in Chicago war man sich durchaus bewusst, was für ein tolles Produkt man auf den Markt brachte, nämlich eines, das so typisch amerikanisch war wie Baseball und Hot Dogs. Flipper-Experte Heribert Eiden von “ColoniaMat” erklärt die Faszination des Kult-Gerätes.
Und damit es auch jeder erfahren konnte, druckte Gottlieb die Botschaft in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mitten auf die Flipperscheibe – für jedermann sichtbar, sofort ins Auge fallend, wie die lasziven Girls, die vor allem die männliche Kundschaft zum Spiel animieren sollten.
Das Kultgerät Flipper besteht in seiner heutigen Form seit über 60 Jahren, Vorläufer des Flipperautomaten, so genannte Bagatelle-Spiele, kamen bereits im 19. Jahrhundert auf den Markt. Anfangs waren sie klein, standen an der Tankstelle oder im Drugstore neben der Kasse auf dem Tresen – der Kunde sollte sein Wechselgeld in ein kleines Spielchen investieren. Der machte das gerne, gab es doch auch nette Gewinne. Etwa eine Zigarre, die der handliche Kasten nach Treffen der richtigen Ziele auswarf. An einigen Aufstellplätzen gab es auch noch mehr zu gewinnen, wenn der Betreiber unter der Hand, also illegal, wertigere Gewinne oder gar Bares verteilte.
Mit der Produktion dieser Vorläufer der Flipper kamen die Unternehmen zu dieser Zeit kaum nach. Alvin Gottlieb war der Pionier, das Erfolgsmodell „Baffle Ball“ wurde über 50.000mal verkauft, und auch das Unternehmen Bally schaffte mit „Ballyhoo“ ähnliche Auflagen. Von der kleinen Garagenklitsche bis zum professionellen Produzenten spannte sich der Bogen der Hersteller, zu denen zeitweise auch David Rock-Ola gehörte, ansonsten einer der führenden Hersteller von Musikboxen.
Dem Flipper wurden Beine gemacht
Kurzum, die Pinballs, so der Name für die Flipperautomaten in Amerika, entwickelten sich zum Renner. Wirtschaftskrise hin, große Depression her, die Menschen kamen eigens für ein Spiel in den Laden. Der Flipper musste also weg von der Theke, ihm wurden quasi Beine gemacht und er fand sich in einer freien Nische wieder. Die ursprünglich rein mechanischen Spielzeuge bekamen Strom, und ihnen wurden die Oberteile aufgepflanzt, als Unterbringung für den Zählmechanismus, mit Beleuchtung, und damit war der erste Schritt zur optischen Animation für den Spieler getan.
Noch war der Flipperautomat ein Spiel mehr zum Zuschauen – Kugel abziehen, sehen, wie sie zwischen den Hindernissen ihren Weg über die schiefe Ebene nimmt, etwas rütteln, aber Vorsicht, nicht zu viel, sonst heißt es: TILT. Die beweglichen Flipperarme waren, wie so viele andere Erfindungen auch, eher ein Zufallsprodukt. Während der Entwicklung eines neuen Modells gerieten dem Gottlieb-Ingenieur Harry Mabs zwei Drähte aneinander, eine Spule zog mit lautem Knall an und aktivierte ein Gelenk – der Grundstein für den Urflipper war gelegt, erstmals verbaut in Gottliebs „Humpty Dumpty“ im Jahre 1947. Sechs der kleinen Flipperfinger waren auf dem Spielfeld verteilt, und endlich wurde aus dem passiven Spieler ein Akteur, der den Lauf der Kugel maßgeblich beeinflussen konnte.
In den 50er und 60er Jahren dominierte Gottlieb den Markt, und großen Anteil daran hatte die Grafik ihrer Flipper-Maschinen. Roy Parker hieß der geniale Mann am Bleistift, der seine Kunst auf Flipperscheiben und Spielfeld einfließen ließ – Blondinen bevorzugt, schließlich war ein Großteil der Klientel männlich, und die galt es ans Gerät zu locken. Seine Inspiration holte er sich bei den großen Musicals am Broadway, oder aber Alltagsszenen mussten als Karikatur herhalten. Ebenso beliebt waren Motive mit Spielkarten sowie die Welt des US-Sports. Dabei wurde in Stilen wie Popart und Op-Art, Comic, Kubismus und Fotorealismus immer ein Stück Zeitgeist widergespiegelt. Zeigt sich ausgeklügeltes Design nicht zuletzt an den stimmigen Grafiken von Flipperscheibe, Spielfeld und Gehäuse.
Allerdings, ein Flipper kann noch so kunstvoll gestaltet sein, wenn er sich nicht spielen lässt – „it is a dog to play“, wie die Amerikaner eine solche Maschine beschimpfen würden – dann war das erste Spiel auch wieder das letzte, und das Geld des Spielers wanderte ins benachbarte Gerät. Damit der Spielspaß stimmt, der Flipperautomat Abwechslung bietet, die Kugel nicht zu schnell ins Aus rollt, herausfordernde Schüsse warten, dafür sorgen die Designer. Sie bauen die Spielfelder, entscheiden über die Anordnung von Schlagtürmen und Auswurflöchern, Rampen und den sogenannten Spinnern, und das Layout, das sie auf die Fläche zaubern, muss den Spieler anspornen, beim nächsten Spiel einfach noch ein paar mehr Punkte herauszuholen, oder gar ein Freispiel zu erkämpfen.
Der Flipperautomat – “a game of skill”
„A game of skill“ – ein Geschicklichkeitsspiel also ist der Flipper, auch diese Botschaft wurde über das Backglass an die Spieler transportiert. Allerdings: Viele Politiker in den Vereinigten Staaten sahen im Flipper ein Glücksspiel und verbannten ihn aus der Öffentlichkeit. So kam es, dass in Chicago, der Heimat des Flippers, bis in die 70er Jahre ein Verbot galt – ebenso wie in der Weltstadt New York.
Zum Glück aber hatte die Branche nicht nur fantasievolle Künstler und tolle Tüftler in ihren Reihen, sondern in Roger Sharpe auch einen hervorragenden Öffentlichkeitsarbeiter. Als einer der besten Spieler überzeugte er in einem eindrucksvollen Demospiel New Yorker Politiker davon, dass Flippern eben kein Glücksspiel ist, sondern viel mit Geschick zu tun hat. Die Folge: Flipperautomaten wurden in weiten Teilen der USA in den 70er Jahren wieder legal. Für viele Spieler ging ein Traum in Erfüllung, und auch für Sharpe selbst begann eine flippige Karriere. Als Spieldesigner, PR-Verantwortlicher und schließlich als cleverer Spürhund für tolle Lizenzthemen blickt er auf viele erfolgreiche Jahre in der Flipperindustrie zurück.
Die 70er Jahre waren zunächst noch überaus erfolgreich, spektakuläre Flipperautomaten liefen von den Bändern. Die Hersteller, allen voran Bally, entdeckten, dass Flipper mit Lizenzthemen, wie z. B. der bei www.coloniamat.de erhältliche „Star Trek“ noch mehr Aufmerksamkeit bekamen. Und so wurde Elton John als „Capt. Fantastic“, die Rockoper vom „Pinball-Wizard“, aber auch das Playboy-Magazin sowie die Rockgrößen „Kiss“ und „Rolling Stones“ verewigt. Die Lizenzen für Bally besorgte damals deren Marketingexperte Tom Niemann, sicherlich für kleines Geld, wenn überhaupt. Ein Belegexemplar dürfte in einigen Fällen gereicht haben. Bally hatte zudem mit Dave Christensen den genialsten Künstler in ihren Reihen, und auch die Umstellung von der Elektromechanik auf voll elektronische Flipper gelang den Herstellern ohne größere Verluste.
Frontalangriff auf den Flipper
Ein Frontalangriff auf die Flipperindustrie kam dann aber – aus dem Weltall. „Space Invaders“ und „Galaxian“, „Asteroids“ und „Galaga“ hießen die Feinde, Videospiele, für die Aufsteller eine wahre Freude, längst nicht so störanfällig wie die technisch hoch gezüchteten Flipperautomaten, aber mit Kassen, die überliefen und täglich geleert werden mussten. Der Spielernachwuchs wurde mit den Videos groß, führte den „Pacman“ durchs Labyrinth, „Super Mario“, der Klempner, wurde gar zum Idol einer ganzen Generation.
Zunächst reagierten die Flipperbauer hilflos auf diese Herausforderung. Konzepte, bei denen Video und Flipper in einem Gerät verschmolzen („Caveman“, „Baby PacMan“) scheiterten ebenso wie ganz neue Ballerspiele namens „Rapid Fire“ und „Hyperball“. Vor dreißig Jahren fanden weder Pinballfreak noch Videofreund Gefallen an diesen Zwittern – interessanterweise sind die Geräte heute gesuchte Sammlerstücke, die selten angeboten werden.
Die Flippermacher konnten allerdings kontern. Sie brachten Multibälle in den Pinball, sie schickten die Spieler auf Jackpotjagd, verbauten im Gerät immer aufwändigere Spielzeuge und legten auch Wert auf üppige Licht- und Soundanimationen. Und auf einmal waren dank der im Kopfteil verbauten Dot-Matrix-Displays kleine Videosequenzen und -spiele möglich. Die Spieler fanden zurück zum Klassiker, und mit Beginn der 90er Jahre avancierte der „Addams Family“ mit über 20.000 Einheiten zum Rekordflipper.
Von diesen Spitzenwerten können Hersteller, Großhändler und Aufsteller nur noch träumen. Die PR-Agentur der Branche, die Berliner Automaten-Wirtschaftsverbände-Info GmbH, vermeldet für die vergangenen Jahre jeweils Absatzzahlen von um die 250 Einheiten – pro Jahr in Deutschland!
Diese mageren Zahlen haben natürlich auch zu einer Bereinigung des Marktes beigetragen. So große Namen wie Williams, Bally und Gottlieb sind in den 90er Jahren von der Bildfläche verschwunden, das neuartige Konzept vom Pinball 2000 – wieder versuchte man, Videospiel und Flipper unter einen Hut zu bringen – verursachte hohe Anlaufkosten und scheiterte kläglich.
Momentan werden neue Geräte nur noch von einem Unternehmen, nämlich Stern Pinball aus Chicago, produziert. Und das in einer Jahresproduktion von 10.000 Stück, verteilt auf drei Modelle.
Kino und Fernsehen erobern den Flipperautomaten
Bei der Ideenfindung für neue Geräte stehen Kino- und Fernsehthemen an erster Stelle. So dienten in der Vergangenheit Arnold Schwarzenegger als „Terminator 3“, „Herr der Ringe“ wie auch „Spiderman“ als Motivvorlagen für die opulenten Grafiken, aber auch für die hoch komplexen Spielabläufe. „Wir wollen vom hohen Wiedererkennungswert dieser Filmhits profitieren“, erläutert Gary Stern seine Strategie, die auch erfolgreiche TV-Serien wie „CSI“ und „24“ mit einbezieht.
Ein moderner Flipperautomat ist mit neuester Technik gespickt. Ausgefeilte Licht- und Soundeffekte, das Spiel mit mehreren Kugeln zeitgleich, tolle Gags und Gimmicks auf dem Spielfeld und die Jagd nach den wertvollen Jackpots – unabdingbar für Höchstergebnisse – machen das Flipperspiel immer noch zu einem tollen Freizeitvergnügen. Flipperfans gibt es zahlreich, die entsprechenden Foren im Internet sind gut besucht, hier hilft man sich untereinander bei Fragen rund um Kauf und Technik.
Aber selbst für nur noch einen Hersteller wird die Luft immer dünner. Fast drohten auch bei Stern Pinball die Lichter auszugehen, doch im letzten Moment fand sich mit Hagerty Peterson and Company ein Partner, der mit neuen Ideen und Plänen das Flippergeschäft in Gang halten will.
Die Spieler wird es freuen. Sie finden bundesweit einige kompetente Händler, die sich auf Flipper spezialisiert haben. Diese bieten einerseits Neugeräte direkt vom Hersteller, deklariert als „New in Box“, kurz NIB, also ganz neu aus der Verpackung. Und liefern auf der anderen Seite auch hervorragend restaurierte Gebrauchtgeräte in sämtlichen Preisklassen. Klassiker wie „Kiss“ mit sehr guter Substanz sind dabei heute teurer als der damalige Neupreis, auch einige der Dot-Matrix-Geräte aus den 90er Jahren wie „Medieval Madness“, „Cactus Canyon“, „Addams Family“ und „Monster Bash“ erzielen Spitzenpreise. Wer als Einsteiger nicht ganz so viel Geld anlegen möchte, ist mit einem elektromechanischen Flipper, wie sie z. B. bei ColoniaMat angeboten werden, ebenfalls gut bedient.
Natürlich kann es passieren, dass ein staunendes Kind beim Anblick eines Flippers zu seinem Vater sagt: „Schau mal, die haben hier dieses Computerspiel ‚in Echt‘ nachgebaut!“ Meist ist es aber so, dass selbst die Kleinen intuitiv wissen, was sie beim flippern machen müssen. Das lässt hoffen – auf weitere neue Modelle, auf einen Markt, der groß genug ist, dass zumindest ein Hersteller davon leben kann. Und wenn sie in Australien endlich mal ernst machen, könnten bald auch von Down Under Flipperautomaten nach Deutschland kommen – schon seit Jahren laufen entsprechende Vorbereitungen zum Aufbau einer eigenen Produktion.
Autor: Heribert Eiden / ColoniaMat