Von kaum einem Getränk gibt es so viele Sorten, wie von Gin. Beinahe wöchentlich sprießen neue Marken hervor, wie Pilze aus dem herbstlichen Waldboden. Und beinahe jede Marke beansprucht ein Alleinmerkmal für sich, auf das sich das Marketing rundherum stützt. Ob es das Brennverfahren ist oder die Zutaten (in Fachkreisen “Botanicals” genannt) die zur Herstellung verwendet wurden: Jeder will anders sein! Was ist dran an dem riesen Hype um das Kultgetränk, das in nahezu jeder Kölner Bar zur Standard-Ausrüstung gehört?
Schaut man sich im gut sortierten Fachmarkt das Gin-Regal an, kommt man als Laie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da stehen die aufwändigst designten Flaschen, hübsch anzusehen, auffallend und nicht nur im heimischen Regal ein absoluter Hingucker. Auf den Etiketten der verschiedenen Sorten wird mit Begriffen, wie “Handcrafted”, “Small Batch” oder “Vapor Infusion” um sich geschmissen. Zudem hat der Kunde die Wahl zwischen “London Dry”, “Dry”, “Distilled”, “Sloe”, “New Western Dry” und vielen mehr. Die Liste ist lang.
Die Geschichte des Gins
“Erfunden” hat den Gin ein in Hanau geborener Arzt. Francois de la Boe, der auch Franciscus Sylvius genannt wird, hat um 1650 herum in Holland mit Alkohol und Wacholder (die Hauptzutat) experimentiert. Eigentlich wollte er ein Medikament entwickeln, das gegen Bauchschmerzen hilft. Er taufte seine Erfindung auf den Namen “Genever”.
Ende des 17. Jahrhunderts waren es die Engländer, die das Getränk zu sich nach Hause holten. Der Grund waren hohe Luxus-Steuern auf hochwertigen Alkohol im Königreich. Die findigen Briten suchten nach einer billigen Alternative. Im Genever fanden sie diese, ließen das Getränk ein weiteres Mal gären und experimentierten mit den oben erwähnten “Botanicals”. Geboren war ein neues Getränk, das sie “Gin” nannten. Der Rest ist Geschichte.
Nachhilfe für Anfänger
Damit auch Menschen, die noch keine eingefleischten Fans des Wacholder-Schnapses sind, die Spirituose kennenzulernen, werden immer mehr so genannte Tastings angeboten. Im Rahmen dieser Veranstaltungen lernen die potenziellen Gin-Trinker ihr zukünftiges Lieblingsgetränk besser kennen. Auch in Köln gibt es solche Tastings, die nicht nur für Anfänger, sondern auch für Genießer sind, die bereits die eine oder andere Flasche im Regal stehen haben. Bei diesen Tastings erfahren die Teilnehmer mehr über
- die Aromen und Geschmäcker
- die Herstellung
- die Kombination mit anderen Getränken
- die Geschichte
Wegen der großen Zahl an hochwertigem Alkohol empfiehlt es sich, die Sorten im Rahmen eines solchen Tastings einfach vorab kennenzulernen und sich dann für seinen Lieblings-Gin zu entscheiden.
Die verschiedenen Gin-Arten
London Dry, Sloe, New Western – die Zahl der verschiedenen Sorten ist nahezu unendlich. Zunächst einmal: Nur wenn Wacholder bei der Destillation verwendet wurde, handelt es sich um Gin. Diese Pflanze gehört zu dieser Spirituose wie das Amen in der Kirche. Der Mindestalkoholwert muss bei 37,5 % Vol. liegen. Doch worin unterscheiden sich die einzelnen Sorten?
Die verschiedenen Arten beim Gin |
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London Dry Gin |
Beim London Dry geht es nicht darum, dass er aus London kommen muss. Es ist die Art der Herstellung, die ihm den Namen “London Dry” gibt. Diese Sorte wird mehrfach destilliert. Die Zugabe von Farbstoffen und Zucker ist verboten. Der London Dry ist der Älteste mit der größten Tradition. Die Botanicals (die Kräuter und Gewürze) dürfen nur während des Destillierens zugegeben werden. Dadurch wird der London Dry reiner und hochwertiger. |
Dry Gin / Distilled Gin |
Beim Dry und Disitilled Gin sind die Regeln ähnlich wie beim London Dry. Beim Dry dürfen die Zutaten aber zu jeder Zeit hinzugegeben werden. Hier dürfen auch Aromastoffe beigemischt werden. |
New Western Dry Gin |
Beim New Western Dry tritt der Geschmack des Wacholders in den Hintergrund. Hier werden zahlreiche Botanicals zugefügt, die den Geschmack dominieren. So kann es passieren, dass ein New Western Dry zum Beispiel nach Rosen schmeckt. |
Old Tom Gin |
Eigentlich ist der Old Tom eine der ursprünglichsten Sorten. Er schmeckte fast ungenießbar bitter, weswegen er massiv mit Zucker versetzt wurde. |
Sloe Gin |
Die rötliche Färbung des Sloe Gins kommt vom Zusatz von Schlehen. Dieser wird auch nicht destilliert, sondern angesetzt. |
Compound Gin |
Beim Compound werden die Botanicals in neutralem Alkohol angesetzt und danach gemischt. Gebrannt wird nicht. Oft hat der Compound eine trübe Farbe und verändert im Laufe der Zeit seinen Geschmack, weil der Alkohol aus den Botanicals weiterhin Aromen zieht. |
Reserve Gin |
Dieser wird nach dem Brennvorgang in Holz- oder Steingutfässern gelagert. Eigentlich ist das hier nicht notwendig, aber dennoch gelangen die holzigen Aromen in den Geschmack, was sich auf den Preis auswirkt. |
Plymouth Gin |
Ein Plymouth muss auch aus der Region rund um Plymouth im Südwesten Englands kommen. Die Bezeichnung ist geschützt. Bei der Herstellung werden keine bitteren Geschmacksstoffe verwendet. Auch Wacholder ist nur wenig enthalten. |
Die verschiedenen Arten. Von jeder gibt es darüber hinaus gefühlte hundert verschiedene Sorten, was die Übersichtlichkeit etwas erschwert.
Der Markt ist gesättigt
Dass diese Spirituose so begehrt ist, haben viele erkannt. Winzer oder Obstbauern besinnen sich schon längst nicht mehr nur auf Wein oder Schnaps. Heutzutage ist es schick, auch einen eigenen Gin anzubieten. Die Namen werden immer ausgefallener, die Flaschen von Designern entworfen und hinter der Marke steckt ein ausgeklügeltes Marketing-Konzept. Für den Laien zuhause gibt es sogar ganze Zutaten-Pakete, um einen eigenen, ganz individuellen Gin selbst herzustellen. Dass es zudem auch noch zahlreiche Möglichkeiten gibt, Gin mit Tonic-Water zu mischen, sei nur am Rande bemerkt.
Die Übersicht bleibt indes auf der Strecke. Wer sich wirklich vom Fieber anstecken lassen möchte, kommt um ein Tasting nicht herum. Ein Ausprobieren auf eigene Faust ist natürlich möglich, aber teuer. Denn unter 30 Euro pro Flasche (mit Ausnahme der Supermarkt-Marken) sind die wenigsten Höherwertigen zu haben. Das gehört übrigens auch zum Marketing-Konzept. Viele Hersteller destillieren nur in kleinen Mengen (“Small-Batch”), um die Preise nach oben zu drücken. Verknappung des Angebotes nennt man das. Dadurch steigen die Nachfrage und der Preis. Clever.