Aktualisiert am 25.03.2019 um 18:15 Uhr: Am Samstag, 23. März 2019 fand ab 14 Uhr in Köln die mit 8.000 Teilnehmern angemeldete Demonstration zum Thema “Rettet das Internet! – Stoppt die Zensurmaschine – Gegen Artikel 13” statt. Die Demo gegen die EU-Urheberrechtsreform und die umstrittenen Artikel 11, 12 und vor allem 13 startete um 14:00 Uhr am Neumarkt und führte von dort ab 14:20 Uhr zur Abschlusskundgebung auf dem Heumarkt.
In der Kölner Innenstadt kam es zu Verkehrsbehinderungen., denn aufgrund der hohen Teilnehmerzahl hatte die Stadt Köln den Hohenzollernring, die Komödienstraße, die Trankgasse und den Bereich in der Kölner Altstadt für die Dauer der Demo abgesperrt.
Die Polizei zählte rund 8.000 Teilnehmer und berichtete zum Geschehen einen insgesamt “friedlichen Verlauf”. Die Demo-Veranstalter sprachen von etwa 15.000 Demonstranten, die in der Kölner Innenstadt gegen die EU-Urheberrechtsreform auf der Straße waren. Zahlreiche – meist junge – Teilnehmer zogen mit gebastelten Plakaten und mit lauten Sprechchören wie “Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freiheit raubt” oder “Wir sind keine Bots” durch die Domstadt.
Zahlreiche Proteste auch in anderen Städten
Auch in zahlreichen anderen deutschen Städten wurde gegen die geplanten Urheberrechts-Reform demonstriert. So haben in München nach offiziellen Polizeiangaben etwa 40.000 Menschen demonstriert, in Berlin beteiligten sich laut der Initiative “Save the Internet” rund 15.000 Menschen. Weil der Andrang hier deutlich größer ausfiel als erwartet – angemeldet waren 2.000 Personen -, musste in der Hauptstadt sogar die ursprüngliche Route der Demo geändert werden. In der Hansestadt Hamburg gingen etwa 7.000 Demonstranten auf die Straße und auch in Düsseldorf oder Düsseldorf waren viele Teilnehmer dabei.
Urheberrechts-Befürworter sehen hinter den Demos eine gezielte Lobby-Kampagne von YouTube und Co. Sie bezeichneten die Prostestler u.a. als Bots der Internetkozerne und behaupten, dass diese von Nicht-Regierungs-Organisationen mit Geldmittel für die Demoteilnahme bezahlt sein sollten.
EU-Urheberrechtsreform: Gut gedacht – schlecht umgesetzt
Das Urheberrecht im Internet ist schon lange ein Problemfall. Denn so wie das aktuelle europäische Urheberrecht aufgestellt ist, ist dieses längst nicht mehr auf den aktuellen Stand der Digitalisierung zugeschnitten. Letztmals gab es 2001 auf EU-Ebene eine größere Veränderung. Doch gab es Unternehmen wie Google, Facebook, YouTube, Spotify und Co. noch gar nicht in der heute bestehenden Größenordnung – oder sie entstanden erst kurz vor der Jahrtausendwende. Seit 2016 wurden die Stimmen nach einer EU-weiten Reform des Urheberrechts lauter.
Hinter der EU-Urheberrechtsreform sehen viele bereits das Ende des freien Internets, andere halten Horrorszenarien für völlig übertrieben. Insbesondere die Artikel 11 und 13 sind Streitpunkte. An vielen Orten der Bundesrepublik demonstrierten Tausende gegen das neue Gesetzespaket, was das EU-Parlament noch vor den Europawahlen verabschieden möchte.
Angestoßen hatte die Reform der ehemalige Digitalkommissar Günther Oettinger. Das Ziel: Urheber und Rechteinhaber sollen für ihre Arbeit fairer entlohnt werden. Ein zweiter wichtiger Faktor bei der sogenannten Copyright-Reform ist das Leistungsschutzrecht für Presseverlage und die Haftung für Plattformbetreiber bei Urheberrechtsverletzungen.
Skepsis gegenüber Artikel 11
Grundsätzlich begrüßt Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, die Pläne der EU zur Urheberrechtsreform: “Die geplante Urheberrechtsrichtlinie ist die Voraussetzung dafür, dass Urheber in der digitalisierten Medienwelt auch morgen noch eine Existenzgrundlage haben. Bisher streichen die großen globalen Internetkonzerne die Gewinne ein, ohne die Urheber, um deren Werke es schließlich geht, zu beteiligen. Das will die Richtlinie beenden.”
Besonders der Artikel 11 der EU-Urheberrechtsreform stößt bei vielen Menschen jedoch auf Skepsis. Worum geht es hier eigentlich? Artikel 11 sieht vor, dass Portale wie Google künftig nicht mehr einfach Überschriften oder kurze Ausschnitte aus Presseveröffentlichungen, sogenannte Snippets (Teaser / Vorschauen), in den Suchergebnissen anzeigen dürfen. Suchmaschinen wie Google sollen Verlage künftig um Erlaubnis bitten, dass solche Snippets bei Google angezeigt werden dürfen, gegebenenfalls gegen eine Bezahlung – das wäre dann quasi eine Steuer für Links.
Doch Gegner der EU-Urheberrechtsreform befürchten Nachteile für kleinere Verlage. Diese sind oftmals darauf angewiesen, dass Suchmaschinen ihre Ergebnisse und Texte listen, um über Werbeanzeigen Geld verdienen zu können. Hier fürchten Gegner des Reformpakets, dass Verlage dadurch eine schwache Verhandlungsposition gegenüber Suchmaschinenbetreibern hätten.
Markenmacht von Google und Co.
Die Verlegerverbände BDZV (Bund Deutscher Zeitungsverleger) und der VDZ (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger) finden, dass das Leistungsschutzrecht “für die Sicherung des freien, unabhängigen Journalismus in der digitalen Welt” dringend nötig sei. Es brauche ob der Marktmacht von Internetriesen wie Google, Facebook und Co. verlässliche Regularien. Nur mit dieser EU-weiten Regelung könne man genug Druck auf die milliardenschweren US-Konzerne aufbauen, so die Verbände.
Neu ist ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Deutschland nicht. Dies gibt es bereits seit 2013. Dennoch schrecken immer noch viele Verlage davor zurück, sich gegenüber Google und anderen Suchmaschinenbetreibern zu behaupten und erteilten den Suchplattformen weiterhin die Erlaubnis, Inhalte unentgeltlich zu nutzen.
“Solche Dienste könnten überhaupt nur entstehen, weil die Verlage jahrelang die Artikel von Urhebern zum Nulltarif ins Internet verschleudert haben. Das ist kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell für Medienhäuser und für Urheber schon gar nicht. Wenn Journalisten wirtschaftlich überleben wollen, müssen ihre Werke bezahlt werden”, so der DJV-Vorsitzende Überall im Gespräch mit CityNEWS.
Beschränkung der unabhängigen Medienlandschaft durch Reform befürchtet
Doch noch immer haben besonders kleine, lokale, regionale und unabhängige Verlage Angst davor, bei Suchmaschinen sonst nicht mehr gelistet zu werden. Dies hätte zur Folge, dass diese Publikationen einen großen Teil der Leser einbüßen würde und somit auch die Erlöse aus Werbeanzeige noch weiter einbrechen würden, als sie es sowieso schon tun. Zudem kommt hinzu, dass die Medienlandschaft dadurch sehr beschränkt würde, man oft nur noch eine sehr einseitige Berichterstattung erfahren würde, investigativer Journalismus nicht mehr unabhängig sein könnte und dem Click-Baiting, Fake News und Co. die Türen geöffnet oder gar gefördert würde.
Wie groß die Marktmacht von Google ist, mussten spanische User erfahren. Weil Google nicht an die dortigen Verlage Gebühren für Snippets und Überschriften entrichten wollte, wurde Google News in Spanien eingestampft. Dieser Schachzug des Internetriesen verdeutlicht eine weitere Gefahr. Denn es ist anzunehmen, dass Google nur bei bestimmten, mutmaßlich reichweitenstarken Medien Lizenzkäufe erwägen würde. Dies hätte zur Folge, dass die europäische Medienvielfalt stark beschnitten würde – und das nicht von europäischen Institutionen selbst, sondern von einem US-amerikanischen Konzern. Die Meinungsfreiheit und -vielfalt würde unter diesen Umständen massiv leiden.
Der ominöse “Upload-Filter”: Artikel 13
Doch neben Artikel 11 stößt auch der Artikel 13 auf Unmut. Dieser Artikel bezieht sich auf reichweitenstarke Plattformen mit bspw. sogenannten “User Generated Content”, wie bei den Angeboten von YouTube oder Twitch. Das Ziel ist, dass solche Plattformen beim Urheberrecht stärker in die Pflicht genommen werden sollen. Bislang ist es so gewesen, dass Betreiber solcher Seiten Werke von ihrer Seite löschen müssen, sobald jemand dagegen Beschwerde einlegt.
Das soll sich nun ändern. Artikel 13 sieht vor, dass die Betreiber bereits beim Upload sicherstellen müssen, dass urheberrechtlich geschützte Werke nicht ohne Erlaubnis auf ihren Seiten angezeigt und abgespielt werden können. Kritiker fürchten, dass dies nur mit sogenannten Upload-Filtern umgesetzt werde könnte. Viele Gegner von Artikel 13 denken hierbei an Zensur.
Meinungsfreiheit trifft auf Zensur
“Von Upload-Filtern steht nichts im Gesetzestext. Das ist ein Begriff, an dem sich die Gegner der Richtlinie festbeißen”, so Frank Überall im Gespräch mit CityNEWS. Und weiter: “Ich kann verstehen, dass viele Internetnutzer deshalb verunsichert sind. Diese Ängste gilt es ernst zu nehmen. Das darf aber nicht zu Ablehnung der Richtlinie führen.” Zwar sollen Memes oder Parodien nicht unter diese Regelung fallen – doch sieht beispielsweise der Chaos Computer Club (CCC) das “freie bunte Internet” in Gefahr. Dies läge auch daran, dass diese Filter, sofern sie denn eingesetzt werden müssen, um das Gesetz entsprechend umzusetzen, fehleranfällig sein.
Diese automatischen Filter könnten nicht zwischen erlaubter Satire, Parodien oder wörtlichen Zitaten von Verletzungen gegen das Urheberrecht unterscheiden. Mithilfe einer Videobearbeitung (z.B. Einfügen eines Balkens oder einer Figur) könnte der Filter außerdem recht einfach ausgetrickst werden. Letztlich bedrohe Artikel 13 nichts weniger als die Meinungsfreiheit, so der CCC und viele Kritiker.
Proteste gegen Urheberrechtsreform
In ganz Europa formiert sich seit Wochen eine große Widerstandswelle. Selten haben EU-Abgeordnete so viele Protestmails und Anrufe erhalten. YouTuber und Streamer mit vielen Followern wie beispielsweise LeFloid, Gronkh oder das Team PietSmiet fordern “Stoppt Artikel 13!” Eine Onlinepetition hat bereits über fünf Millionen Unterschriften gesammelt.
Auch die Wikipedia-Foundation sieht das freie Internet durch die EU-Urheberrechtsreform gefährdet. Zwar ist die freie Enzyklopädie explizit von den Reformplänen ausgenommen, dennoch wollten die Autoren ein Zeichen gegen Artikel 13 setzen. Am 21. März 2019 wurde aus Protest das deutschsprachige Angebot für 24 Stunden komplett abgeschaltet. Dies war nicht der erste öffentliche Protest von Wikipedia gegen die Reformpläne der EU. Bereits am 12. September 2018 wurde mit einem Banner auf der deutschen Wikipedia-Plattform auf die Gefahr für freie Informationsflüsse hingewiesen.
Demos gegen Reform
In zahlreichen deutschen Städten (u.a. Köln und Berlin) gehen immer mehr Gegner der Reform seit einigen Wochen auf die Straße und demonstrieren gegen die geplanten Änderungen. Am 23. März 2019 wurden zudem europaweite Kundgebungen und Proteste abgehalten. Allein in Köln sollen Schätzungen zufolge rund 10.000 Teilnehmer an der Demo teilgenommen haben, in München und Berlin waren es weitaus mehr. Urheberrechts-Befürworter sehen hinter den Demos eine gezielte Lobby-Kampagne von YouTube und Co. und bezeichneten die Prostestler u.a. als Bots der Internetkozerne und, dass diese von Nicht-Regierungs-Organisationen mit Geldmittel für die Demoteilnahme bezahlt sein sollten.
Dabei fällt auf, dass viele größere Medien nicht oder nur in sehr eingeschränktem Umfang über die Reform-Proteste berichten. Hier könnte man nun ebenfalls eine Art “Lobbyismus” der großen Verlage sehen, um die Berichterstattung möglichst klein zu halten. Die wirklich großen Medienunternehmen haben nämlich natürlich ein Interesse am finanziellen Anreiz in der Reform, um etwaige Monetarisierungen später anhand der Reform durchführen zu können.
Weitere Probleme mit dem “Upload-Filter”
Es gibt nicht nur “Kopfschmerzen” wegen einer möglichen Zensur oder der Bedrohung der Meinungsfreiheit. Die EU-Urheberrechtsreform, welche besonders vom CDU-Europa-Abgeordneten Axel Voss vorangetrieben wurde, ruft auch Datenschutzrechtler auf den Plan. So sieht der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber beim Einsatz der sogenannten Upload-Filter die Gefahr, dass große Anbieter solche Software-Systeme verstärkt an Daten von Nutzern kleinere Plattformen und Dienst herankommen.
Das Problem: kleine Plattform-Betreiber seien gar nicht in der Lage einen derartigen Programmieraufwand für Upload-Filter zu leisten. Sie müssten auf Angebote großer IT-Firmen zurückgreifen. Kelber befürchtet die Entstehung eines Oligopols weniger Anbieter von Filtertechniken.
Im Interview mit der Deutschen Welle ließ Axel Voss außerdem verlauten, dass die von ihm geforderten Reformen in erster Linie auf die Plattformen zielen, welche Urheberrechtsverletzungen begehen, wie beispielsweise YouTube.
So sagte er: “Wir alle haben rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. Wenn sie eine riesige Plattform wie YouTube haben, müssen sie eine technologische Lösung einsetzen. Jeder hat diese Verpflichtungen. Sie haben ein Geschäftsmodell mit dem Eigentum anderer Personen geschaffen – auf urheberrechtlich geschützten Werken. Wenn es das Ziel der Plattform ist, Leuten den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zu ermöglichen, müssen wir darüber nachdenken, ob diese Art von Geschäft existieren sollte.”
Wer ist von der EU-Urheberrechtsreform überhaupt betroffen?
Den normalen Internetnutzer wird diese Reform wohl nicht wirklich treffen. Die Regeln betreffen vor allem kommerzielle Nutzer – aber auch der “Otto-Normal-User” könnte Probleme beim Hochladen von Videos bekommen. Das kleine Hochzeitsvideo vom Tanz des Brautpaars könnte beim Upload geblockt werden, da eventuell im Hintergrund die Musik eines Künstlers zu hören ist. Dies wäre dann eine Verletzung des Urheberrechts (je nach Interpretation).
Dennoch beziehen sich die Regelungen insbesondere auf große Unternehmen, die seit über drei Jahren bestehen, deren Jahresumsatz bei über zehn Millionen liegt und mehr als fünf Millionen User pro Monat haben.
Bundesregierung hat Reform bereits zugestimmt
Die Ursprünge der EU-Urheberrechtsreform gehen bis zu Jahr 2016 zurück. Seither haben Unterhändler des Europäischen Rates und des EU-Parlaments einen Kompromissentwurf erarbeitet. Dieser Entwurf bekam 21 von 28 möglichen Stimmen der Regierungen, darunter auch die Zustimmung der Bundesregierung. Doch ist dies nicht ganz unproblematisch. Denn in der Koalitionsvereinbarung, die CDU, CSU und SPD geschlossen haben, werden sogenannte Upload-Filter abgelehnt. Nachdem sich Justizministerin Katarina Barley, als federführende Politikerin erst öffentlich gegen solche Upload-Filter stellte, stimmte sie letztlich dennoch dafür – und damit entgegen der Linie, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.
Hier müssen die 751 EU-Parlamentarier Ende März entscheiden, ob das Gesetzespaket durchkommt oder nicht. Ob die EU-Urheberrechtsreform als Komplettpaket mit den umstrittenen Artikeln 11 und 13 durchkommt, ist allerdings noch fraglich. Möglich ist auch, dass die Reform, ohne die im Vorfeld breit diskutierten Artikeln verabschiedet wird oder für das Reformpaket einen neuen Anlauf nach der Europawahl im Ende Mai 2019 nehmen muss.
Dieser Beitrag wurde am 25.03.2019 um 18:15 Uhr aktualisiert.