Eine beruhigende fast mystische Wirkung hat es, wenn man durch die verdunkelten Gänge des eher unscheinbaren Gebäudes gegenüber des wuseligen Eingangs zum Kölner Zoo schreitet. Versteckt hinter den Mauern befindet sich im Kölner Aquarium ein Sammelsurium an allem was kriecht, schwimmt und fliegt. “Über 490 Tierarten beherbergt unsere moderne Arche Noah”, so Professor Dr. Thomas Ziegler. Der Leiter des Kölner Aquariums zeigt stolz “seine” Einrichtung. Allein im Aquaristik-Schaubereich befinden sich rund 70 Aquarien mit über 200 Fischarten und etwa 5.000 Exemplaren. Hinzu kommen über 70 Arten an Wirbellosen mit rund 2.000 Exemplaren.
Vom heimischen Rheinverlauf bis zum indopazifischen Korallenriff – überall kann man die Bewohner geheimnisvoller Wasserwelten entdecken, die dem natürlichen Habitat ihrer Population so nah wie möglich kommen. Für plattgedrückte Nasen an der Scheibe und staunende Gesichter sorgt zum Beispiel das 20.000 Liter fassende Großaquarium des Tanganjikasee-Beckens, welches die Artenvielfalt im ostafrikanischen Grabenbruch zeigt.
Hinter den Kulissen und vor den Augen der Besucher verborgen, gibt es weitere 100 Becken, die beispielsweise der Nachzucht dienen. “Und die ist dringend notwendig”, so der 49-jährige Bonner. “Leider ist diese einzigartige Vielfalt durch Lebensraumverlust und Wilderei stark bedroht. Viele Tiere sterben aus, bevor es jemand mitbekommt oder man sie wissenschaftlich erforschen kann, um vielleicht noch Gegenmaßnahmen wie Schutz- und Zuchtprogramme einzuleiten.”
Über 500.000 Tiere: Zwischen Fischen, Amphibien, Insekten und Reptilien im Aquarium Köln
Mehr als die Hälfte der gehaltenen Arten im Kölner Aquarium sind in der IUCN (International Union for Conservation of Nature / Internationale Union zur Bewahrung der Natur) gelistet. Die IUCN erstellt unter anderem die Rote Liste gefährdeter Arten und kategorisiert Schutzgebiete mittels der World Commission on Protected Areas (Weltkommission für Schutzgebiete).
Etwa 20 Prozent der Lebewesen in der Kölner Einrichtung haben einen entsprechenden Gefährdungsstatus oder sind teilweise bereits in der Wildnis ausgestorben, wie z. B. der Langflossenkärpfling im Süßwasserbereich. Über 30 durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützte Arten sind im Bestand des Aquariums in der Rheinmetropole. Im Bereich der Wirbellosen gehört knapp die Hälfte der gehaltenen Arten zu den geschützten Tieren.
Im Kölner Aquarium leben aber nicht nur Bewohner aus den Meeren, Seen und Flüssen. Ein wenig Dschungelcamp-Feeling kommt auf, wenn man den Terrarium-Bereich mit seinen 85 Reptilien-, 52 Insekten- und 37 Amphibien-Arten betritt. Es zischt, zirpt und die Augen von Professor Thomas Ziegler leuchten auf, wenn er an den 51 Terrarien nach dem Rechten seiner kleinen und großen Schützlinge sieht.
Immer wieder gelingt es ihm und seinem zwölfköpfigen Team Arten zu retten, zu bestimmen und Zuchterfolge seltener Spezien zu vermelden. Seit über 16 Jahren managt er bereits die insgesamt 509.788 Exemplare im Kölner Aquarium, davon u.a. 500.000 Ameisen, 284 Echsen, 108 Schildkröten, 67 Schlangen, 33 Lurche und 23 Krokodile – z. B. auch Philippinen-Krokodile – die bedrohteste Krokodilart der Welt. Von Müdigkeit oder gar Langeweile ist bei Thomas Ziegler, nach dem übrigens bereits drei Tierarten benannt wurden, keine Spur zu erkennen.
Mit viel Weitblick über den Tellerrand hinaus: Hilfe zur Selbsthilfe
Professor Dr. Ziegler ist oft als ausgewiesener Experte gefragt. Sei es nun vom Zoll bei der Bestimmung von unerlaubt eingeführten tierischen Urlaubsmitbringsel, bei der Beschlagnahmung von illegal gehaltenen Tierarten oder auch bei seinem Herzensprojekt. Dieses geht weit außerhalb seines Kölner Wirkungsbereichs in Laos und Vietnam vonstatten. Zusammen mit seinem vietnamesischen Partner Dr. Truong Quang Nguyen ist er dort seit 1999 in der Biodiversitäts-Forschung und in Sachen Naturschutz in Südostasien aktiv.
Dabei geht es nicht nur um die Entdeckung neuer Arten, sondern auch um die Erforschung ihrer Ökologie sowie Bestandsentwicklung und Schaffung passender Schutzmaßnahmen im natürlichen Lebensraum. “Wir versuchen sozusagen Hilfe zur Selbsthilfe zu schaffen. Ob beim Auf- und Ausbau von Stationen zur Aufnahme konfiszierter Tiere sowie ihrer Haltung oder bei der Nachzucht und Erforschung”, erklärt der Kurator des Kölner Aquariums.
Der Fokus liegt dabei auf der Melinh-Station für Biodiversität im Norden Vietnams, die von Ziegler und seinem Team regelmäßig besucht wird. So konnten in den vergangenen Jahren über 100 neue Wirbeltierarten entdeckt und durch ihre Erforschung sinnvolle Artenschutzmaßnahmen eingeleitet werden.
Auch für die hochbedrohte Krokodilschwanzechse startete in Melinh ein vielversprechendes Erhaltungszuchtprogramm, ebenso für die bedrohte Geckoart Cnemaspis psychedelica in Südvietnam. Auch werden die Lebensweisen anderer äußerst bedrohter Reptilien und Amphibien hier unter optimalen Bedingungen erforscht und Nachzuchtprogramme aufgebaut. Durch seine Tätigkeit als Dozent an den Universitäten von Hanoi und Ho Chi Minh City bildet Prof. Dr. Thomas Ziegler selbst den Nachwuchs in Wissenschaft und Naturschutz direkt vor Ort aus.
Im Kölner Aquarium gibt es mehr als nur Entertainment
“Als wissenschaftlich geführter Zoo erfüllen wir zahlreiche Aufgaben. Wir sind einerseits ein beliebter Ort, um Unterhaltung, Spaß, Erholung und Bildung miteinander zu verbinden. Oder neudeutsch Edutainment. Andererseits sind wir uns der Problematik des Artenstrebens bewusst und deshalb in den vergangenen Jahren zu einem bedeutenden Akteur weltweiter Natur- und Artenschutzinitiativen geworden. Eben eine moderne Arche Noah mitten in der Domstadt. Wir möchten unseren Zoo-Besuchern nicht nur die einzigartige Diversität der unterschiedlichen Tierarten zeigen, sondern auch versuchen, ein Bewusstsein in den Köpfen zu schaffen für mehr Verantwortung im Umgang mit der Natur”, so Professor Dr. Ziegler..