Wer kennt das Sprichwort nicht: “Ordnung ist das halbe Leben”. Vielen Menschen fällt es aber schwer, nach diesem Motto zu leben. Trotzdem hat der Wunsch nach Struktur während der Corona-Pandemie einen Aufschwung bekommen. Die Wohnung auszumisten, ist zum Trend geworden.
Allerdings hat dieser Ordnungs-Trend bereits Anfang 2019 begonnen. Dafür hat die Netflix-Serie “Aufräumen mit Marie Kondo” gesorgt, in welcher die 34-jährige Japanerin Marie Kondo fremde Wohnungen ausgemistet hat. Ausmisten und Ordnung schaffen ist danach zum regelrechten Hype geworden.
Durch die Pandemie hat der Wunsch nach Ordnung bei vielen noch zugenommen. Dadurch, dass man viel mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht hat, hat sich die Wahrnehmung des eigenen Heims verändert. Auch die Gewohnheiten haben sich verändert. Viele Menschen fingen an, sich zu fragen, wie sie eigentlich leben wollen. Was muss das eigene Zuhause mit sich bringen, damit man sich dort wohlfühlt?
Wunsch nach äußerer und innerer Aufgeräumtheit
Den aktuellen Wunsch nach einem aufgeräumten Heim beobachtet Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern schon länger. Und sie hat ihn benannt: Tidyism, oder frei übersetzt: Aufgeräumtheit. Geboren wurde dieser Trend unter dem Eindruck der Überflussgesellschaft. Aber auch der knappe Wohnraum, das neue Umweltbewusstsein sowie die mentale Gesundheit beeinflussen diesen zusätzlich. Und er betrifft längst nicht nur die Umgebung, in der man lebt, es geht auch um die innere Ordnung. So wird die Beziehung zum eigenen Domizil neu überdacht. Man geht dabei den Fragen nach, wie man sich dort fühlt und was man verbessern kann, um sie gesünder zu gestalten.
Zwar haben durch die Pandemie ländliche Gebiete an Beliebtheit gewonnen, aber trotzdem zieht es die Menschen nach wie vor in die Stadt. Dadurch steht noch weniger Wohnraum zur Verfügung als eh schon und Mieten steigen noch mehr. Und die Folge davon sind veränderte Wohnkonzepte. So ist Tidyism ein Trend, der von allem davon getrieben wird, den wenigen Platz, der zur Verfügung steht, so gut wie möglich zu nutzen. Vor Jahren konnten noch Keller, Dachboden und Garage genutzt werden, heute muss der ganze Besitz zumeist in den eigenen vier Wänden untergebracht werden.
Jeder besitzt 10.000 Dinge
Jeder Mensch in Deutschland besitzt in etwa 10.000 Dinge. Menschen in den USA verfügen sogar über 30.000. Stellt sich also die Frage, wohin damit, wenn sich die Verhältnisse ändern bzw. verkleinern. Und damit kommt die Frage auf, was man wirklich braucht, um glücklich leben zu können. Aus psychologischer Sicht betrachtet, vermittelt Besitz einerseits Sicherheit und bringt andererseits die Persönlichkeit zum Ausdruck. Komplett darauf zu verzichten, ist daher nicht die Lösung. Also müssen für eine aufgeräumte Umgebung sowie die mentale Gesundheit neue Ordnungssysteme her.
Noch nie war der Trend zur Vereinfachung so groß. Das Leben heute, vom stressigen Arbeitsalltag über die ständige Erreichbarkeit bis hin zu den sozialen Verpflichtungen, gleicht einem Marathon. Körper und vor allem Kopf erbringen Höchstleistungen. Das führt dazu, dass der Wunsch nach Ruhe und Entspannung immer größer wird. Da die Welt insgesamt komplexer geworden ist, haben sehr viele Menschen das Bedürfnis, ihr Leben zu ordnen. Und auch der Besitz wird immer mehr als Ballast wahrgenommen. Heutzutage wollen vor allem junge Menschen mehr in Erfahrung investieren und weniger in Besitztümer.
Unordnung hat negative Auswirkungen auf Konzentration
Eine Untersuchung der Princeton University belegt, dass Unordnung einen negativen Einfluss auf die Konzentration hat. Eine weitere Studie aus 2013 zeigte, dass Menschen wesentlich mehr Fehler machen, wenn sie sich in unaufgeräumten Umgebungen befinden. Ausmisten und sich von altem und unnötigem Ballast trennen, kann sich auf die eigene Effizienz also durchaus positiv auswirken. Aber, wohin mit den Dingen, wenn der Platz für die Ordnung fehlt, man sie aber nicht entsorgen möchte?
Einige Unternehmen haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt und schaffen clevere, stilsichere und multifunktionelle Systeme, die das eigene Zuhause aufräumen sollen. So beispielsweise das Label House of little Labels, welches 2020 gegründet wurde. Die Gründerinnen Iweta Tarhan und Ira Meindl haben ein stylisches System geschaffen. Mit stilvoll gehaltenen Boxen, Behältern und Körben bringen sie Struktur in Küche, Bad, Wohnzimmer etc. Das Besondere dabei: Jede Box etc. wird beschriftet. Auf Wunsch können die Behältnisse sogar mit einem selbstdesignten Schriftzug versehen werden.
Intelligente Lösungen sind gefragt
Ordnungsliebe geht immer Hand in Hand mit Multifunktionalität und Modularität. Denn wo wenig Platz ist, sind intelligente Lösungen gefragt. So fungieren zum Beispiel die handgefertigten Stücke von Ethnicraft sowohl als Tisch als auch als Stauraum. Der zusätzliche Raum im Couchtisch ist auf den ersten Blick nicht sichtbar. Diese Art unsichtbarer Storage-Lösungen kennt man zum Beispiel vom klassischen Bettkasten.
Um genug Stauraum zu schaffen, muss jeder Zentimeter, der verfügbar ist, genutzt werden. So bietet das polnische Unternehmen Tylko seinen Kunden die Möglichkeit, ihre Kommoden oder Regale zentimetergenau selbst zu entwerfen. Damit sind dann auch durchaus unkonventionelle Designs machbar. Ähnlich verfährt die Movisi GmbH mit ihrem U-Cube. Mit dem nachhaltig produzierten System können Regale, Hocker oder Bänke gestaltet und mit vielen Funktionen versehen werden. Auf diese Art können Kunden individuellen und erweiterbaren Stauraum schaffen.
Bedürfnisse ändern sich, Besitz wird als Ballast angesehen
Es gibt aber auch noch eine weitere Möglichkeit, sein Heim aufzuräumen bzw. so zu belassen. So bieten Gurus, Berater und Coaches an, seine Dinge zu strukturieren und zu managen. Noch nicht gängige Lösungen sind externe Self-Storage-Lösungen. Die meisten sind bisher rein zweckmäßig ausgelegt. Zukünftig wird es jedoch laut Zukunftsinstitut vielleicht geschmackvolle und serviceorientierte Konzepte geben. Denn ein Mehrbedarf ist immer auch ein Antrieb für neue und innovative Entwicklungen.
Klar ist, dass sich die Bedürfnisse der Kunden ändern und Besitz häufig als Ballast angesehen wird. Durch das Leben im Überfluss, die Enge der Städte und den komplexen Alltag wird das Bedürfnis nach Struktur im heimischen Umfeld noch verstärkt. Das bedeutet, es müssen mehr kreative und innovative Lösungen her. Die Einrichtungsbranche ist bisher nur in geringem Maße darauf eingestellt. Hier ist noch viel Luft nach oben. Bleibt abzuwarten, was die Zukunft bringt.