Die Hände werden feucht und zitterig, die Röte steigt in den Kopf. Viele Menschen haben Angst davor, vor einer größeren Gruppe zu reden. Dabei lässt sich das im Job kaum vermeiden, etwa in Meetings, Konferenzen oder bei Präsentationen. Die gute Nachricht: Reden kann man lernen. Etwa bei den Cologne-Toastmasters in der Kölner Südstadt. CityNEWS war bei einer der Veranstaltung dabei und erhielt Einblicke hinter die Kulissen.
Toastmasters nennt sich die Gruppe, die sich jede Woche Dienstag in der Grundschule Mainzer Straße trifft. Sie gehört zu der weltweiten Gruppierung Toastmaster International. Dabei handelt es sich um eine nicht kommerzielle Bildungsorganisation, die ihren Mitgliedern ein Trainingsprogramm zur Verbesserung der Kommunikations- und Führungsfähigkeit anbietet. Mittlerweile haben sich drei weitere Kölner Gruppen unter einem Dach gegründet: die Rheinredner, die Sprechbar sowie die Advanced Toastmasters. Die Kölner Gruppe ist die älteste Gruppierung und existiert seit 2001.
Eine positive, unterstützende Lernumgebung schaffen
Egal wie sie sich nennen, ihr Ziel ist dasselbe. Ein Training für jeden anzubieten, um die Scheu vor dem Sprechen in kleinem und großem Kreis zu überwinden und zudem grundlegende Fertigkeiten der öffentlichen Rede zu erarbeiten. “Die Mission eines Clubs ist es, eine gegenseitig unterstützende und positive Lernumgebung zu schaffen. In dieser hat jedes einzelne Mitglied die Möglichkeit, Kommunikations- und Führungsqualitäten zu entwickeln, die wiederum Selbstvertrauen und persönliches Wachstum fördern”, so steht es auf der Webseite. Und es ist keine graue Theorie, wie der Besuch des Clubabends zeigte.
Die kleine Aula der Grundschule an der Mainzer Straße bietet den Teilnehmern nicht nur sprichwörtlich eine kleine Bühne. Jeder Akteur steht tatsächlich auf einer solchen. Jeden Dienstagabend. Immer zwischen 20 und 22 Uhr. Der Abend ist exakt durchgetaktet. “Das ist nötig, sonst würden wir hier wahrscheinlich immer bis Mitternacht sitzen”, sagt Gunnar Harms, der noch amtierende Vice President Public Relations.
Es gibt viele Regeln bei den Toastmasters
Alle duzen sich, das schafft eine entspannte und lockere Atmosphäre. Peter ist der Time-Keeper des Abends. Eine Stoppuhr und ein kleiner Ordner mit verschiedenfarbigen Blättern stehen vor ihm. Die Farben signalisieren den Vortragenden, ob sie im vorgegebenen Zeitrahmen sprechen. Legt Peter die grüne Seite um, ist die Mindest-Sprechzeit erreicht, bei Rot wird es Zeit, zum Ende zu kommen. Wer die schwarze Karte erhält, nimmt an der anschließenden Wahl zum besten Redner nicht teil.
Es gibt viele Regeln bei den Toastmasters. Und viele Aufgabenverteilungen für die Mitglieder. Klingt streng, ist es aber nicht. Der Rahmen ist locker, die Atmosphäre entspannt, der Umgang miteinander wertschätzend. Nach jeder Rede brandet Applaus auf. Später wird bewertet. Konstruktiv, wohlwollend und motivierend. Niemand wird in die Pfanne gehauen, denn jeder zeigt gute Ansätze, die es zu unterstützen gilt.
Um 20 Uhr geht es los. 25 Mitglieder und Gäste sind gekommen. Claudius sprintet mit lockeren Schritten auf die Bühne. Claudius ist der Toastmaster des Abends. Er leitet durch das Programm, begrüßt die Mitglieder und führt in das Thema des Abends ein. Dieses Mal lautete es: “Die Lockerheit macht´s”. Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch den Abend ziehen wird. Ebenso das Wort des Abends, das dieses Mal etwas sperrig wirkt. Es lautet “handhabbar” und soll möglichst geschickt in den Reden verarbeitet werden. Wer also all dies in seinen spontanen oder vorbereiteten Vorträgen gut unterbringt, hat Chancen auf eine Auszeichnung, die ihn als besten Redner in den verschiedenen Kategorien ausweist.
Dreimal schnuppern ist möglich
Aufmerksam, aber auch ein wenig nervös sitzt Gitty in der letzten Stuhlreihe. Die junge Frau gehört zu den Gästen an diesem Abend. Jeder kann vorbeikommen, mit oder ohne Voranmeldung. Dreimal ist reinschnuppern möglich, danach sollte die Entscheidung für oder gegen eine Mitgliedschaft gefallen sein. 75 Euro für ein Halbjahr, Studenten und Auszubildende zahlen 63 Euro. Dafür profitieren die Mitglieder vom ausgefeilten Fortbildungsprogramm, vom wöchentlichen Prozedere, den Clubabend zu gestalten, Vorträge zu halten und ein unmittelbares Feedback zu erhalten. Neu ist, dass sich jedes Mitglied einen Schwerpunkt aussuchen kann, woran es gerne feilen möchte.
Dazu gibt es seit letztem Jahr das Pathways-Programm. Denn auch ein Toastmaster schwingt in der Regel nicht ausschließlich aus Spaß an der Freud Reden. Er hat immer auch ein Ziel. Sei es, im Geschäftsleben ein starker Redner oder eine bessere Führungskraft zu werden, die alle anderen mitreißt, immer das Beste herauszuholen oder aber auf der nächsten großen Feier die Gäste zu begeistern. Dabei lernen neue Mitglieder immer von den “alten Hasen”, ähnlich einem Mentoring-Programm.
Botschaften beim Reden besser übermitteln
Die Mitglieder der Kölner Gruppe kommen aus völlig unterschiedlichen Berufssparten. “Zu uns kommen Lehrer, Coaches, Ingenieure, Studenten oder Auszubildende”, erklärt Gunnar Harms. Wer lange genug dabeibleibt, kann verschiedene Stufen durchlaufen und später zu den Advanced Toastmasters, den Fortgeschrittenen, aufsteigen. Eine Option, kein Muss.
Nach einer ersten Warm-up-Phase folgen die vorbereiteten Vorträge. Im Anschluss daran werden spontan vier Personen auf die Bühne geholt, um mindestens eine Minute, längstens zwei Minuten, eine Stegreif-Rede zu halten. Gerne werden dazu die Gäste auf die Bühne gebeten, so wie Gitty. Mit gemischten Gefühlen geht sie hoch und erzählt erstaunlich locker, warum sie hergekommen ist. Ein Auftritt, der ihr am Ende sogar das Zertifikat des besten freien Vortrags des Abends beschert. Gitty lacht erleichtert. “Hat man nicht gemerkt, dass ich aufgeregt war?”, fragt sie. “Überhaupt nicht”, bescheinigt ihre Sitznachbarin.
Nach den Vorträgen spenden die Mitglieder üppigen Applaus. Das spornt an. Auch wer am Anfang noch ein wenig unsicher ist, wird mit der Zeit routinierter. Reden lerne man eben durch Reden, wie Thomas Quink sagt. Quink ist seit gut zwei Jahren bei den Toastmasters. Klasse findet er, dass man sich auf der Bühne ausprobieren kann. Das kann auch mal etwas ganz Neues sein. Quink ist Trainer und Coach und der Club für ihn eine wunderbare Test-Bühne. Und wer sich als Führungskraft bewähren will, übernimmt innerhalb der Club-Organisation verschiedene Aufgaben, etwa die des Area Directors, der die verschiedenen Clubs unter dem verbindenden Dach der Toastmaster-Organisation zusammenführt. So gibt es auch einen Austausch untereinander, Wettbewerbe und regelmäßige Treffen.
Den persönlichen Zielen angepasstes Training
Das Bildungsprogramm ist nach persönlichen Zielen aufgebaut. An fünf Kernkompetenzen können die Mitglieder je nach Ziel feilen. Dazu gehören das öffentliche Sprechen, die zwischenmenschliche Kommunikation, die strategische Führung, Management und Vertrauen. Dabei kann sich jeder so viel Zeit lassen, wie er benötigt, es gibt keinen Zwang, kein Muss. Das gesamte Programm ist auf Freiwilligkeit aufgebaut. Und wer nebenbei auch an seinem Englisch feilen will – an jedem letzten Dienstag im Monat wird aus ausschließlich englisch gesprochen. Gitty überlegt wiederzukommen. Diana auch.
Anderthalb Jahre lang besuchte die Projektleiterin die Clubabende regelmäßig. Stieg dann wegen ihres dualen Studiums und fehlender Zeit aus. Ist sich aber nach ihrem Gastspiel sicher, wieder regelmäßig einzusteigen. “Hier kann ich die Routine im Sprechen und Präsentieren erhalten, die ich für meinen Job benötige”, sagt sie und wirkt dabei sehr überzeugend.
Hinweis: Auf Rücksicht der Teilnehmer und um die Veranstaltung nicht zu stören, haben wir auf eigenes Fotomaterial verzichtet und verwenden für diesen Beitrag Agentur- / bzw. Stockbilder. Wir bitten um Verständnis.