Zeitarbeit bietet Perspektiven und Chancen – sowohl dem Einzelnen als auch der deutschen Wirtschaft. Sie ermöglicht vielen Menschen einen Einstieg in den Arbeitsmarkt und ist für deutsche Unternehmen ein Flexibilitätsinstrument. Zeitarbeit unterliegt zu 100 Prozent dem deutschen Arbeitsrecht.
Flexibilität und Wachstum
Zeitarbeit ist für die deutsche Wirtschaft ein unverzichtbares Flexibilitäts-Instrument. Mit ihr können Unternehmen schnell und einfach auf Auftrags-Schwankungen, volatile Märkte und Konjunkturzyklen reagieren. Durch die unkomplizierte und zeitnahe Rekrutierung von qualifiziertem Personal können Auftragseingänge und Boom-Phasen leichter abgefangen werden. In der exportorientierten Wirtschaft trägt die Zeitarbeit somit dazu bei, dass sich Unternehmen international erfolgreich behaupten können – auch in Krisenzeiten und auf sich schnell ändernden Märkten.
Für 80 Prozent der Unternehmen ist Flexibilität deshalb das Hauptmotiv für den Einsatz von Zeitarbeit. Das zahlt sich aus. Im Aufschwungjahr 2010 haben Zeitarbeitnehmer ca. jeden siebten Euro erwirtschaftet – dabei stellten sie gerade einmal ca. zwei Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland.
Einstieg und Zeitarbeit
Zeitarbeit bindet in hohem Maße Gering- bzw. Nichtqualifizierte und Arbeitsuchende in den Arbeitsmarkt ein. Rund 26 Prozent der Zeitarbeitskräfte haben keinen Berufsabschluss. Zum Vergleich: Auf dem gesamten Arbeitsmarkt liegt der Anteil bei weniger als 16 Prozent. Knapp 70 Prozent waren vor ihrem Einstieg in die Zeitarbeit arbeitslos, davon 49 Prozent bis zu einem Jahr und 20 Prozent waren länger als ein Jahr beschäftigungslos oder noch nie beschäftigt.
Durch Zeitarbeit erhalten Arbeitslose die Chance, praktische, Berufserfahrungen zu sammeln, sich auf dem Arbeitsmarkt umzusehen und potenzielle Arbeitgeber von ihren Qualifikationen zu überzeugen. So hat Zeitarbeit eine wichtige Funktion als Brücke von der Arbeitslosigkeit in den Arbeitsmarkt und hat einen erheblichen Beitrag zur Absenkung der Arbeitslosigkeit von durchschnittlich 11,7 Prozent im Jahr 2005 auf durchschnittlich 6,4 Prozent im Jahr 2015 geleistet.
Mehr als ein Klebe-Effekt
Zeitarbeit unterliegt zu 100 Prozent dem deutschen Arbeitsrecht und die Zeitarbeitskraft hat mit ihrem Zeitarbeitsunternehmen ein reguläres Arbeitsverhältnis. Der einzige Unterschied zu anderen Arbeitsverhältnissen: wechselnde Arbeitsorte und Kundenbetriebe. Dabei werden nach einer Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) rund 14 Prozent in die Stammbelegschaft des Kundenbetriebs übernommen. Darüber hinaus sind gut 70 Prozent der Zeitarbeitskräfte auchm zwei Jahre nach ihrem Einstieg in die Zeitarbeit noch weiter in Beschäftigung, sei es innerhalb oder außerhalb der Zeitarbeit.
Stärkung der Stammbelegschaft
Wissenschaftliche Studien der Hans-Böckler-Stiftung oder des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) belegen, dass Zeitarbeit keine Stammbelegschaften verdrängt. Ganz im Gegenteil: Viele Unternehmen nutzen Zeitarbeit als Flexibilitäts-Instrument, um unerwartete Auftragseingänge bearbeiten zu können. Dementsprechend bauen die meisten Unternehmen, die Zeitarbeit einsetzen, parallel Stammbelegschaften auf – lediglich zwei Prozent der Unternehmen reduzieren laut IAB Stammpersonal, wenn sie Zeitarbeit nutzen. In wirtschaftlich schwachen Zeiten hilft die Zeitarbeit darüber hinaus, das Stammpersonal zu sichern.
Eine Branche mit ganz normalen Löhnen
Im Jahr 2012 wurde in der Zeitarbeitsbranche eine flächendeckende Lohnuntergrenze eingeführt. Heute erhält ein Zeitarbeitnehmer im Osten mindestens 8,50 Euro und im Westen mindestens 9,00 Euro pro Stunde. Damit liegt im Westen der unterste Lohn, den ungelernte Zeitarbeitskräfte für einfache Tätigkeiten erhalten, deutlich über dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn, der aktuell 8,50 Euro pro Stunde beträgt.
Gut ausgebildete Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer können deutlich mehr verdienen. Der höchste Tariflohn der Zeitarbeit beträgt 30 Euro pro Stunde (EG 9 West mit BZ ME nach 9 Monaten). Zudem profitieren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Zeitarbeit wie in kaum einer anderen Branche von den ausgehandelten Tariflöhnen: Die Tarifabdeckung beträgt nahezu 100 Prozent – ausschließlich mit DGB-Tarifverträgen.
Equal Pay durch Branchenzuschläge
Neben den tariflichen Basisentgelten wurden inzwischen in elf Branchen so genannte Branchenzuschläge eingeführt (mit IG Metall, IG BCE, ver.di und EVG). Damit werden in den wichtigsten Einsatzbranchen die Lohndifferenzen zwischen Stammbelegschaften und Zeitarbeitnehmern geschlossen. Die Zuschläge funktionieren folgendermaßen: Nach einer bestimmten Einarbeitungszeit erhalten Zeitarbeitskräfte automatisch gestaffelte Zuschläge auf ihr Entgelt.
Grundlage: Sie sind für einen bestimmten Zeitraum ununterbrochen bei einem Kundenunternehmen tätig. Wie in den meisten DGB-Tarifverträgen üblich, steigen die Branchenzuschläge mit der Erfahrung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nach neun Monaten ist eine nahezu gleiche Bezahlung von Zeitarbeitskräften und Stammarbeitskräften erreicht. In der M+E-Industrie und in der chemischen Industrie ist so bspw. ein Zuschlag von 50 Prozent auf den Tariflohn möglich.
Doch auch ohne die Branchenzuschläge profitieren Zeitarbeitskräfte regelmäßig von neuen Tarifabschlüssen. In den Jahren 2009 – 2012 sind die Löhne in der Zeitarbeit um bis zu 20 Prozent gestiegen. Im Zeitraum 2014 – 2016 stiegen die Löhne erneut im Osten um rund 13,4 Prozent und im Westen um rund 10 Prozent – ohne die Branchenzuschläge einzurechnen.
Regulierung der Branche
Die deutsche Zeitarbeitsbranche ist umfassend reguliert. Die rechtliche Grundlage ist das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) aus dem Jahr 1972. Seitdem wurde dieses Gesetz immer wieder verändert, so zum Beispiel 2011 mit der Einführung der so genannten Drehtürklausel. Missbrauch durch die Entlassung von Mitarbeitern aus der Stammbelegschaft bei anschließender Beschäftigung als Zeitarbeitskräfte zu schlechteren Konditionen wird so verhindert.
Unternehmen, die in der Zeitarbeitsbranche aktiv werden wollen, benötigen nach dem AÜG eine spezielle Lizenz. Sie werden ständig durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die zuständigen Zollverwaltungen kontrolliert. Nach eigenen Angaben hat die BA 2015 rund 22 Prozent aller Erlaubnisinhaber geprüft. Bei Verstößen drohen hohe Strafen: Bis zu 500.000 Euro Geldstrafe oder gar Lizenzentzug sind möglich. Darüber hinaus verpflichten Branchenverbände wie der BAP ihre Mitglieder zur Einhaltung von Verhaltensrichtlinien hinsichtlich ethisch korrektem Handeln.
Die Zeitarbeit in Zahlen
- Anzahl der Zeitarbeitkräfte: 949.227 im Durchschnitt des Jahres 2015, 2,2 % aller Erwerbstätigen – zum Vergleich: Großbritannien 3,9 %, Niederlande 2,7 %.
- Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Zeitarbeitskräfte an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten: 2,6 % (Jahresdurchschnitt 2015).
- Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Zeitarbeitnehmer: ca. 93 %.
- Ca. 6.700 Zeitarbeitsunternehmen sind am Markt aktiv. Rund 26 % der Zeitarbeitnehmer haben keine abgeschlossene Berufsausbildung, 65 % verfügen über einen Berufsabschluss und 9 % über einen Hochschulabschluss (Gesamtarbeitsmarkt: 16 % / 69 % / 16 %).
- Wichtigstes Tätigkeitsfeld für Zeitarbeitnehmer: Metall- und Elektroindustrie (M+E-Industrie) mit knapp 30 %.
- 2010 erwirtschafteten Zeitarbeitnehmer 15 % des Wirtschaftswachstums.
- Höhe der Lohnuntergrenze: 01.06.2016: 9,00 Euro (West), 8,50 Euro (Ost).